Ulrich Lamsfuß über seine Arbeit: Grundsätzliche Erfahrungen meiner künstlerischen Adoleszenz sind zum Einen Übersättigung und Überfluss, auch in Bezug auf Kunst. Ich habe das Gefühl, nach dem Ende einer zumindest linearen (Kunst-)Geschichte zu leben. Man kommt zu spät. Es ist immer jemand vorher da gewesen. Alles ist gesagt, nur nicht von jedem. Das heißt, dass mein Problem ist, keins zu haben, jedenfalls kein originales.
Der „Horror Vacui“ ist das Grundrauschen meiner Arbeit. Konstruieren von künstlichen Problemen, um sie danach künstlerisch zu lösen, scheint mir unterkomplex. Das führte dazu, dass ich mich sehr früh für das Abbilden bzw. für Abbildungen von Realität zu interessieren begann. Ersten Zeichenunterricht hatte ich mit vierzehn Jahren bei einem exilierten Kunstprofessor aus dem Iran, einem sozialistischen Realisten
Zum Anderen nehme ich den „pictural turn“ oder „iconic-turn“ sehr stark wahr. Man merkt deutlich, wie überlegen Bilder sind, wie ohnmächtig Diskurse. Die Gegenwart ist geprägt von Bildern, Narrativen, Fiktionen, Blasen und anderen Illusionen und Fakes, neuerdings auch von Ratings, Rankings und Schwarmintelligenz. Fashion spielt eine große Rolle. Das Bild ist der Fetisch unserer Zeit.
Diese Gemengelage bzw. meine Ratlosigkeit ihr gegenüber brachte mich dazu, den Schwerpunkt meiner Arbeit von der „Show“, vom Zeigen und Behaupten, zum Sehen und Anschauen zu verschieben. Ich habe angefangen, meinen Bildkonsum zu dokumentieren und mich mit der Malerei dezidiert für das mit Abstand auserzählteste Medium entschieden, bin somit der „appropriation art“ zuzurechnen (natürlich auch hier zu spät). Skepsis gegenüber Originalität, Identität und Autorenschaft sind grundsätzlich für meine Arbeit. Ich habe mich nie als Maler begriffen und auch nie die getrennte Rezeption von Medien verstanden. Für mich ist ein Medium eine Sprache, und die eigentliche Frage ist, wie damit umgegangen wird. Ein starkes Interesse an konzeptionellen Ansätzen, vor allen Dingen solchen der Kontextkunst, also Repräsentations- und Institutionskritik, also an der Frage, was ist ein Bild und wie und von wem wird es benutzt?, sowie auch popdiskursive Fragen nach z.B. subversiven Strategien spielen für mich eine große Rolle. Die in der Kunst, speziell in der „appropriation art“, immer aktueller werdende Frage des Copyrights, mit allen politischen Implikationen, gehört auch zu meiner Arbeit. Ich verwende die unterschiedlichsten Medien für meine Weltaneignung, z.B. Internet, Werbung, Kochbücher, Photostocks, Kataloge, Kunst- und Modemagazine… Motiv kommt bei mir von Motivation. Ich möchte motiviert sein, dann kann ich produktiv werden. Die Utopie, an der ich arbeite, ist die Utopie eines motivierten Lebens.
Wichtig ist mir, keine eindeutige Haltung zu den einzelnen Motiven zu haben. Es gibt sowohl Affirmation, als auch gezielte Überaffirmation, als auch das Interesse am gerade falschen Bild. Es geht um eine möglichst breite, widersprüchliche und exakte bis exzessive Wahrnehmung. Meinen Realismus beschäftigt die dargestellte Realität, die Repräsentation von Wirklichkeit und ihre unterschiedlichen Motivationen. Ich bin fasziniert von Bildern.
Anderseits habe ich eine Affinität zum Malen. Ich mag es alleine zu arbeiten und liebe die Versenkung. Die Einheit von Planung, Produktion und am besten auch Verkauf im Sinne von selbstbestimmter Arbeit, ist mir sehr wichtig. Sehnsucht nach Autonomie spielt eine große Rolle, und der Wunsch, produktiv zu sein. Es entstehen ca. 10 Bilder im Jahr, die meisten davon sind eher klein. Einige Motive wiederhole ich, um die Ambivalenz zwischen Original und Kopie zuzuspitzen und das Auratische, Genialische eines Ölgemäldes ins Leere laufen zu lassen. Meine Sehnsucht war immer, zu malen wie eine Maschine. Ich liebe Fließbandarbeit und spüre eine Nähe zu Menschen, die ihre Zeit mit dem Zusammensetzen von Puzzles oder Ähnlichem verbringen. Jedes Bild ist von mir signiert, trägt aber die Quelle im Titel: Namen des Fotografen/ Künstlers, Titel des Fotos, Erscheinungsort, Daten etc... Ich bewege mich dabei also sehr langsam in einer Zeit, die charakterisiert ist von Aufmerksamkeitsökonomie und Hochgeschwindigkeit. Manchmal mache ich auch „Originale“ aus Lust am Unterwandern der eigenen Konzeption.
Legt man die vor ein paar Jahren aufgekommene Differenzierung in Empathiker und Gnostiker zugrunde, muss man mich klar letzteren zurechnen. Ich habe Schwierigkeiten mit dem „anything goes“, bin auf der Suche nach der Kunst unserer Zeit, auf der Suche nach Notwendigkeit und Verbindlichkeit. Andererseits braucht es aber auch das Moment der Verführung. Kunst ist letzten Endes auch immer Entertainment.