Die kleinformatigen, konzentrierten Malereien von Thomas Grötz sind in mehrerer Hinsicht deutbar. Die dargestellten Orte und Örtlichkeiten verweisen stets auf konkrete und reale topographische, sowie damit verbundene geschichtliche Zusammenhänge. Dabei geht es auch um die Anwesenheit an oder die besondere Verbundenheit mit einem jeweiligen Ort.
Darüber hinaus kennzeichnet die bildnerischen Motive eine Bedeutungsebene, die man als metaphorisch oder allegorisch auffassen kann: architektonische Motive, das Haus, sowie konkrete Wohn- und Innenräume können auf die ,Innenwelt‘ des Menschen und auf seine jeweilige ,Verfassung‘ verweisen – auf das, was sich dort gerade abspielt: Ordnung, Klarheit – oder Unordnung, Verwüstung und Zerstörung
In den letzten Jahren scheint die Malerei von Thomas Grötz zunehmend von einer polaren Spannung bestimmt, die auch als motivische Gegenüberstellung in Erscheinung tritt: Konkrete architektonische Räume, die Verengung, Einkapselung und Konzentration andeuten, stehen landschaftlich geprägten Arbeiten gegenüber, die eine Öffnung in die Weite, ins Freie, in die äußere Natur beschreiben. Diese Pendelbewegung von Einschnürung und Entäusserung, die auch in dem gelegentlich anzutreffenden Motiv einer verstellten und verhinderten Aussicht zum Ausdruck kommt, steht im Zusammenhang mit menschlicher Orientierung und ,Entwicklung‘.
Die anthropologisch zu verstehenden Bedeutungsschichten in der Malerei von Thomas Grötz sind gleichzeitig mit Hinweisen auf die gegenwärtige Situation der bildenden Kunst verknüpft. Die heutige scheinbare Gleichwertigkeit verschiedener künstlerischer Wege wird auf die historische Dimension der anbrechenden Moderne zurückgespiegelt: Eine idyllisch wirkende Landschaft, in der sich ein Weg in verschiedene Richtungen aufspaltet, entpuppt sich konkret als Parkanlage, durch die man zu den sogenannten ,Meisterhäusern‘ der Bauhaus-Professoren in Dessau gelangen kann.
Thematisch verwandt befasst sich Thomas Grötz in anderen Arbeiten mit der zwiespältigen oder mehrdeutigen Aufbruchssituation der malerischen Abstraktion, etwa mit Werken, die sich auf Kasimir Malewitsch oder den Maler Wassily Kandinsky beziehen, bei dem der dynamische Aufschwung in ,neue‘ und ,unbekannte‘ Welten und Dimensionen mit einem starken Interesse für ,bodenständige‘ Volkskunst gekoppelt war.
Thomas Grötz untersucht in seiner Malerei die Situation der Gegenwartskunst auch aus dem heraus, was ihn zu Beginn seiner künstlerischen Tätigkeit in den späten 70er Jahren geprägt hat: die Krise der Moderne in der ,Rückkehr‘ zu einer figurativen, ,erzählerischen‘ Malerei durch die Transavantgarde, der europäische Symbolismus des späten 19. Jahrhunderts und die Kunst der Neuen Sachlichkeit bzw. des Magischen Realismus, einer künstlerischen Antwort auf den Expressionismus und die Abstraktion, die als Bewegung mit dem 2. Weltkrieg abgebrochen und untergegangen ist.