Wie macht der Mensch aus Farbe ein Bild? Wie viele Wege kann er dabei gehen und welche Fragen wirft er damit auf? Und für wen mag sich daraus welche Aussage ergeben?
Zeit seines Schaffens ist Matthias Schaufler ein Maler, der diese grundlegenden Fragen seines Handwerks nicht nur im Sinn behält, sondern in ihrer Abgründigkeit und Unauslotbarkeit permanent weiter reflektiert. Ein Bild machen – das heißt zunächst, in durchaus hergebrachter Weise ein Motiv der erlebten oder potenziell erlebbaren Alltagswelt zum Ausgangspunkt und zur Grundlage der Gestaltung zu wählen, zum „Problem“, an dessen Bewältigung entlang sich das Bild erst entwickelt. Vielfach sind es in Schauflers Werk zugleich Motive, die aufgrund einer traditionsreichen Existenz in der Kunstgeschichte bereits eine gewisse Nobilitierung und auch Neutralisierung erfahren haben. In der Wildheit und Sperrigkeit von Schauflers Kompositionen geht es jedoch am Ende nur mittelbar um die Neuinterpretation einer inhaltlich-ikonographischen Dimension. Viel eindringlicher ist die erregende, zuweilen verstörende Erfahrung des Niederschlags eines hochkomplexen, scheinbar von durchaus widerstreitenden Impulsen getragenen malerischen Akts. Indem Schaufler in ein und demselben Bild ein unausdenkbar vielfältiges – im Wesen stets von der subjektiven malerischen Geste geprägtes – Spektrum an Möglichkeiten auffächert, Pigmente auf eine Leinwand aufzubringen, schärft er unsere Sensibilität für das Ausdruckspotenzial und den spektakulären Reichtum des Kolorits, für die köstlichen Strukturen und den buchstäblich vielschichtigen Gehalt der üppig modellierten Farbmaterie. Es ist eine Demonstration dessen, was das Erlebnis von „Farbe“ in der Malerei der Gegenwart beinhalten kann.
Seine aktuelle Werkgruppe Party Fears 2, eine Serie gleichformatiger, monumentaler Leinwandgemälde, repräsentiert dabei die Summe dessen, was Schaufler in den vergangenen Jahrzehnten erarbeitet hat. In ihrer über mehrere Wochen hinweg realisierten kompositionellen Komplexität bei gleichzeitiger Offenheit des Bildleibs bilden sie unterschiedlichste Möglichkeiten des Malerischen ebenso wie die individuellen Entwicklungsstufen des Künstlers ab: Gesuchte Kombinationen bestimmter Farbnuancen aus dem Frühwerk werden rekapituliert, kompakte Spachtelaufträge der frühen 2000er Jahre gekreuzt mit neuen experimentellen Tropftechniken; über feingliedrig ziselierte Farbreliefs werden dünnflüssige Pigmentschleier gelegt und unartikulierte Farblachen geschleudert, zerfasernde Gegenstandsschemen der 1990er Jahre kontrastiert mit den manierierten Figurenrudimenten der jüngsten Vergangenheit. Der Pinselduktus wechselt zwischen stockender Verhaltenheit und keck-elegantem Virtuosentum. In den verschiedenen Schichten des komplexen Kompositionsgefüges bilden sich im Verlauf der Bildentstehung gleichsam Gravitationszentren formaler Energien, die gleichzeitig die Entfaltung eines Feuerwerks wie das Brodeln unter- gründiger Vulkane assoziieren lassen. Insgesamt ist hier „Bewegung“, eines der Generalthemen der Moderne, eine Fragestellung, der der Künstler mit der Gesamtheit seines spezifischen Instrumentariums nachgeht.
Wie bereits so häufig in Schauflers Schaffen ist es dabei auch in Party Fears 2 die Erinnerung an ein bestimmtes musikalisches Erlebnis, das zum Auslöser für den Malvorgang wird und diesen nachhaltig durchwirkt. Synthetische, euphorische New Wave Klänge aus der eigenen frühen Jugend des Künstlers begleiteten und inspirierten den Schaffensakt und gaben eine gewisse Stimmung von Nostalgie und Sentimentalität vor. Pathetische Melodieverläufe, eine elektrisierende, vor allem aus der Perkussion gespeiste Dynamik, artifiziell verkomplizierte Rhythmen und Vielstimmigkeiten, eine Verheißung von Glamour, Exzentrik und rauschhafter Lebensfreude bei insgesamt äußerst beherrschter, künstlich konstruierter Gesamtstruktur – es sind dies Charakteristika, die unmittelbar auch in den aktuellen Gemälden auffindbar sind.
Und es leuchtet ein, wenn Schaufler angibt, in diesen Bildern die „Lautstärke der Farbe aufdrehen“ zu wollen: augenscheinlich geht es um eine strategische, fast programmatische Übertreibung und Übersteigerung der Mittel in Weiterentwicklung der früheren Bilder und Gestaltungsmodi – ohne dass doch die aktuellen Arbeiten an irgendeiner Stelle aus dem Kreislauf ausbrächen, zu dem Schauflers Produktion sich mit jeder Schaffensphase immer aufs Neue fügt.
Kathrin Elvers-Svamberk in: Matthias Schaufler – Party Fears 2, Ausst.-Kat. Kunstverein Leverkusen Schloss Morsbroich e.V., Leverkusen 2013