In der ersten gemeinsamen Ausstellung von Matthias Schaufler und André Butzer wird der Betrachter mit unterschiedlichen Körperbildern konfrontiert. Den aktuell präsentierten Werken beider Künstler gemein ist die Formung anthropomorpher Figurationen mittels malerischer Linien- und Flächenarbeit. Konkret unterscheiden sich die Arbeiten jedoch gravierend: hier der isolierte und zugleich präzise Gestus, dort ein Füllhorn aus Farbe und Form, hier die Figuration vor dem weißen Nichts, dort die Untrennbarkeit von Figur und Grund, hier das nüchterne, fast klassisch anmutende ‘Ausstellen’ des Körpers, dort zerreißt kalkulierte Expressivität die Figur.
Unterschiedlich ist auch die Machart: Schaufler streicht geschwungene, Volumen schaffende Linien über der weiß grundierten Leinwand aus. Seine gestischen Schwünge münden nicht nur in Abstraktion, sondern lassen zusammenhängende Formationen entstehen, die man für silhouettenhaft neben und ineinander gestaffelte (nackte, wohl weibliche) Körper halten kann. Acht bis neun Körperansichten werden unter dem Titel Tanz auf einem zweiteiligen Cinemascope-Bilderfries vorgeführt, der zahlreiche Erinnerungen an die Geschichte der Aktmalerei von sagen wir mal Edgar Degas bis hin zu den Anthropometrien eines Yves Klein aufruft. Zugleich scheint es, als ob sich das deutsche Nachkriegs-Informel à la Karl Otto Götz mit den kurvigen Stakkato-Rhythmen eines Giacomo Balla und der frankophil-mediterranen Sehnsucht nach neo-paradiesischer Körperlichkeit in Luft und Licht vermählt hat. Henri Matisse lässt grüßen, der auch für André Butzer eine Referenzgröße darstellt.
Die fast ätherischen rotbraunen Fleischformen Schauflers entbehren weitgehend einer psychischen Ausdrucksdimension, die für Butzers Bild Alles nur Brezelmacherei hingegen nicht unwesentlich ist. Der steil hochformatig angelegten männlichen Bildfigur steht ein klischeehaft expressiver, grotesker Schrecken ins Gesicht geschrieben. Das sprachlose Entsetzen eines notorisch bekannten Edvard Munch-Bildes verschmilzt mit einer übergelenkigen, Disney-artigen Figur. Unbedarft-schuldig, mit bloody hands, erstarrt zur ewigen German Angst, oder irre glücklich ist diese Figur dabei, das Feld (das eigene Bildfeld) zu sondieren, um sich vorsichtig aus dem Staub zu machen und/oder sich in ein buntes Dasein zu stürzen. Die machtvolle Hinfälligkeit des Homo sapiens tritt dem Betrachter zugleich mit einem hohen Abstraktionsgrad des Bildes entgegen, bei dem autonome Darstellungsmittel sowie ein überbordender Kolorismus zum Tragen kommen. Mehrdeutig ist auch der nur vordergründig banale Bildtitel Alles nur Brezelmacherei; er steht wie viele vergleichbare Slogans des Künstlers nicht nur für Nahrung, Konsum und Ernährung in einem erweiterten Sinne, sondern lässt sich auch als Metapher für Malerei verstehen: als wiederholtes und endloses Formen von Basis-Gegebenheiten, was die Transzendenz ewiger Gestaltung eröffnet.
Mit dieser zukünftigen Stoßrichtung ist Butzers synthetischer Fauvismus des 21. Jahrhunderts dann doch auch irgendwie verwandt mit dem schwerelosen, erhabenen Reigen der entkernt-fleischlichen Hüllen, die uns bei Matthias Schaufler begegnen. Eine gemeinsame, wenn auch gebrochene Sehnsucht nach ‘Befreiung’, sowie eine immer die Entfremdung mitdenkende Lust am Leben scheinen auf.
Thomas Grötz