Die Ausstellung „4812“ knüpft – durchaus ironisch – noch einmal an die glorreichen Zeiten in Köln an, in dem hier aktuelle Wahlberliner aus dem Schatten der (Kunst-) Geschichte treten und sich noch einmal wieder zusammen finden. Einige waren Assistenten bekannter Künstler wie Martin Kippenberger, Georg Herold oder Ulrich Rückriem. Alle aber huldigem einem: wenn auch nicht dem rheinischen Frohsinn, dann doch dem regional durchaus vertretenen Humor.
Make up mit Zinkcreme: THOMAS RENTMEISTER beschmiert zwei alte Kühlschränke mit guter alter Penaten-Creme und mildert so die Wunden des Ausgemusterten. „Rentmeister ist ein lustvoller, dabei zutiefst humaner Verunreiniger, der an die Stelle der puren Form das Nachdenken über die Verbindung zwischen sozialer Existenz, Körper und skulpturalem Ausdruck setzt.“ – so schreibt Stefan Berg über Thomas Rentmeister. Und fragt gleichzeitig mit der gebührenden Skepsis: „Sind Sie sicher, dass im Kühlschrank das Licht ausgeht, wenn Sie die Kühlschranktür schließen?“
MARTIN GOSTNER präsentiert einen mit PU-Schaum und Blei gefüllten Samtrock und eine Schlaghose aus Jeans, die nun zu gehbehinderten Skulpturen avancieren. Der Torso aus einer ausgeschäumten Damenschlaghose, trägt, alleine für sich stehend und in halb kniender Pose, auf dem Hosenbund die Aufschrift „Karma again", die, auch autobiografisch bedingt, eine Wiederaufnahme jener Handlungen bedeutet, die über die eigene Zukunft entscheiden, im Buddhismus über die Form der Wiedergeburt.
VINCENT TAVENNE präsentiert eine kleine Auswahl seiner bekannten Miniaturobjekte, die den gängigen Skulpturbegriff unterminieren, der allzu gerne gegen XL tendiert. Mit der Größenordnung und einem gekonnten Materialshift greift er lässig mal eben ein in die Hierarchie der Dinge – und damit in die Ordnung der Welt.
Auch der Krimtatar ISKENDER YEDILER, einer der stabilen Größen im wabernden Kölner Kunstszene-Kontext der Jahrtausendwende, hat keine Angst vorm Spaßfaktor. Seine beweglich bunt leuchtende Palme wiegt sich im nichtvorhandenen Abendwind des bekanntlich eher sterilen Galerieraum-Klassikers. Bekannt geworden ist er durch seine aufblasbaren Skulpturen. Yediler behauptet, daß er anfing, diese ‘Inflatables’ herzustellen, weil er nicht genügend Lagerraum hatte und die aufblasbaren Skulpturen ihm eine Lösung für dieses Problem boten. So denkt Yediler immer gleich an die Lösungen der Probleme mit, die (seine) Kunst in die Welt setzt, einfach dadurch, indem es sie gibt. Immerhin leuchtet seine Palme lustig und macht sich so nützlich. „(Es) haben viele deutsche Künstler die Sprache einer grundlegenden Ontologie zugunsten von Skeptizismus und Ironie abgelehnt. Diese Position ist sowohl deutsch, als auch kosmopolitisch. Sie ist ein Produkt der großen Städtekulturen des 20. Jahrhunderts: Berlin, Frankfurt oder Köln. Dieses Weltbürgertum wartet immer noch darauf, als besondere „deutsche“ Qualität entdeckt zu werden, da es das Ergebnis einer Vermischung von einheimischen und fremden Impulsen darstellt. Yedilers Skulpturen sind auf diese Weise fremd und gleichzeitig originär, deutsch.“ So der bekannte deutsche Schriftsteller Christian Kracht über seinen bildhauernden Künstler-Kollegen.
TRIXI GROISS begann mit der angewandten Kunst und studierte Mode bei Karl Lagerfeld, wandte sich sehr bald den freien Künsten zu. Das Kleid als Hülle und auch als »etwas, das für den Menschen steht« bleibt wesentlich in ihren installativen und skulpturalen Arbeiten. Konkret als schmückendes Attribut nutzt die im westösterreichischen Vorarlberg geborene Künstlerin 1985 in ihrer Performance „Lebendes Ornament“… Es war ihr erstes Auftreten in der derzeit aufblühenden Kunstszene Wiens, in der von Silvia Eiblmayr, Valie Export und Cathrin Pichler kuratierten Gruppenausstellung „Kunst mit Eigen-Sinn“. Bei der Annäherung an Trixie Groiss’ hyperrealistische Zeichnung eines Fussels – Zerfallsprodukte von Geweben und vermeintlich im Verborgenen befindliche Details unseres Alltags – verlieren sich die erkennbaren Muster, die eine Zuordnung des Dargestellten noch ermöglichen. Kleinstformatige Raster aus helleren und dunkleren Schraffuren verlieren sich in sich in einem Gewebe aus pixelartigen Gebilden, die sich im Blickfeld des Betrachters zu neuen Formationen ordnen. Fusseln als Spaltprodukte alles Stofflichen verweisen auf die Halbwertzeit unseres Daseins und sind somit auch Symbole der Vanitas.
ULRICH STROTHJOHANN knüpft mit seiner abstrusen, fröhlich rosafarbenen Galgenkonstruktion an das humorvolle Thema an: Diesmal wird „nur“ ein Stuhl liquidiert – aber für welche Verbrechen eigentlich? Das der Nützlichkeit? Auf humorvolle Weise setzt der heute in Berlin lebende Künstler, auch ein Gefährte und Assistent Martin Kippenbergers, die „Absurdität menschlicher Existenz und Erkenntnis“ in seinen Objekten um.
HANS-JÖRG MAYER, in Berlin lebender Maler, auch ein Enfant terrible der Kölner Szene der 90er, schafft es, selbst mit dem so ernsthaften Thema Malerei bewusst auf der Kippe zwischen Spass und Ernst zu balancieren. Er malt die legendären Aldi-Tüten von Günther Fruhtrunk nach, etwas wässrig zerlaufen wirken sie in seiner Adaption, wahrlich keine tragend stabilen Shopping-Begleiter mehr. Dies könnte wohl auch als „Seitenhieb auf das durch den Fall Achenbach und seine dubiose Aldi-Kunstverkaufsstrategie so angegriffene Verhältnis zwischen Kunst und Kunstmarkt“ gelesen werden – gleichwohl auch hier der kriminelle Akt durchaus künstlerische Implikationen hat.
Kurzbiographien der teilnehmenden Künstler:
MARTIN GOSTNER
1957 born in Innsbruck/Austria; Akademie der bildenden Künste Vienna, classes of Arnulf Rainer and Max Weiler.
Since 2004 professor of sculpture at Kunstakademie Düsseldorf/Germany.
Lives in Düsseldorf and Innsbruck/Austria
Solo Exhibitions (Selection):
1994 Thesen der Gegenreformation. Forum Stadtpark, Prague/CZ
1997 Öde Galle. Villa Merkel, Esslingen/D
2001 Kupferpfandl - und darüber. Secession Vienna/A
2003 Of Milk And Honey. Museum Folkwang, Essen/D
2012 Erker 7, Der Erker der blauen Pferde, Neue Nationalgalerie, Berlin/D
TRIXI GROISS
Born in Vorarlberg/Austria
Hochschule für Angewandte Kunst Vienna (classes of Oswald Oberhuber and Karl Lagerfeld)
Lives in Berlin
Solo Exhibitions (Selection):
1989 Landschaftsbilder, Galerie Bob van Orsouw, Zurich/CH
1994 Landschaftsbilder (mit Carolin Bittermann), Galerie Thomas Rehbein, Cologne/D
1997 Lucky - das Glück kommt in Strähnen, Galerie Lukas & Hoffmann, Cologne/D
2003 Elendestes Plagiat, könnte man sagen wollen, Galerie Otto Schweins, Cologne/D
2009 LIGHT LIGHT, Galerie Andreas Höhne, Munich/D
2014 Escaping Ideas Are Weaving Flying Flocks, Adamski Gallery for Contemporary Art, Berlin/D
HANSJÖRG MAYER
1955 born in Singen/D
Lives in Berlin
Solo Exhibitions (Selection):
1983 Blaue Bohnen Baby, Galerie Rüdiger Schöttle, Munich/D
1985 Blitzen Vixen & Harry, Galerie und Lager Rudolf Zwirner, Cologne/D
1991 Galerie Christian Nagel, Cologne/D
1999 Le Terrain Vague, Galerie Giti Nourbakhsch, Berlin/D
2002 Letzte Tage, (collaborations mit Michel Majerus), neugerriemschneider, Berlin/D
2008 Bonner Kunstverein, Bonn/D
2011 Ice Ice Baby, Union Gallery, London/UK
2012 This is not a Love Song, Galerie Christian Nagel, Antwerpen/B
THOMAS RENTMEISTER
1964 born in Reken/D
Kunstakademie Düsseldorf (classes of Günther Uecker and Alfonso Hüppi)
Since 2009 professor at Hochschule für Bildende Künste Braunschweig/D.
Lives in Berlin
Solo Exhibitions (Selection):
1995 Städtisches Museum Abteiberg, Mönchengladbach/D
2001 braun, Cologneischer Kunstverein, Cologne/D
2002 WerkRaum.10, Hamburger Bahnhof, Berlin/D
2004 Zwischenlandung, Kunsthalle Nuremberg/D
2005 Minimal Pop, Museum Boijmans van Beuningen, Rotterdam/NL
2006 Die Löcher der Dinge, Museum am Ostwall, Dortmund/D
2008 Denken in Werken, Centraal Museum, Utrecht/NL
2011/12 Objects. Food. Rooms, Kunstmuseum Bonn und Perth Institute of Contemporary Arts, Perth/US
2014 Considering the Matter, HDLU (Meštrovic-Pavillion), Zagreb/CRO
ULRICH STROTHJOHANN
1954 born in Cologne
Universität der Künste, Berlin
Lives in Berlin
Solo Exhibitions (Selection):
1992 Forum Stadtpark, Prag/CZ (with Cosima von Bonin)
1994 MOMAS (Museum of Modem Art Syros), Syros/GR (with Christopher Wool)
1995 Bingo, Galerie Christian Nagel, Cologne/D
1996 Eleni Koroneou Gallery , Athens/GR
2004 Neuer Aachener Kunstverein, Aachen/D
2011 Sonnenblenden und Laufgänge, Adamski Gallery for Contemporary Art, Berlin/D
2015 Adamski Gallery for Contemporary Art, Berlin/D
VINCENT TAVENNE
1961 born in Montbéliard/F
Kunstakademie Düsseldorf (class of Ulrich Rückriem)
Lives in Berlin
Solo Exhibitions (Selection):
1993 Friesenwall 120, Cologne/D
1998 Piepenbrock Kunstpreis, Hamburger Bahnhof, Berlin/D
2001 Hundert Fragen und keine Antwort, Kunstverein Braunschweig/D
2008 ANSICHT EINER ABSICHT – ou le spectateur comme acteur, Kunstverein Lübeck/Overbeck-Gesellschaft, Lübeck/D
2008 MONTER /MONTRER – Du proche au lointain dans l’escalier, Hospitalhof, Stuttgart/D
2010 POLARISE-TOI, Saarlandmuseum, Saarbrücken/D
2012 Höhe x Breite x Tiefe, St. Gertrud, Cologne/D
2015 Weg nach Dort, Museum am Ostwall, Dortmund/D (with Ina Weber)
ISKENDER YEDILER
Born in Eskisehir/Turkey
Kunstakademie Düsseldorf (class of Ulrich Rückriem)
Lives in Berlin
Solo Exhibitions (Selection):
1993 K-Raum Daxer, Munich/D (with Ulrich Rueckriem)
1999 Rheinisches Landesmuseum, Bonn/D
2000 Sprengel Museum, Hannover/D, Intervention Nr. 20
2001 Kunstverein Heilbronn/D
2002 Forum Kunst Rottweil/D
2013 Firagerofidugekafitogeri! weitermachen!, Kunstverein Offenburg/D
2014 SPAM-Contemporary, Düsseldorf/D
Group Exhibitions (Selection):
2002 Hossa – Deutsche Kunst der 2000er Jahre, Centro Cultural Andratx, Mallorca/Spain
2002 Private Öffentlichkeit, Museum Folkwang, Essen/D
2006 Lang Leve Beeldhouwkunst!, Middelheim Museum, Antwerpen/B
2008 European Attitute, Zendai MOMA Shanghai/China
2009 Looking for a New World, Kumamoto, Michima, Sendai/Japan